Im Hafen der baden-württembergischen Stadt Kehl, direkt an der deutsch-französischen Grenze, betreibt die Badische Stahlwerke GmbH (BSW) ihr Stahlwerk. Unter Einsatz von Schrott und Strom werden dort pro Jahr etwa 2,2 Millionen Tonnen Draht und Betonstahl für die Bauindustrie produziert. Für die dabei anfallende Abwärme findet sich sowohl im Werk selbst als auch in der unmittelbaren Umgebung aktuell nur begrenzt Verwendung. Auf der gegenüberliegenden Rheinseite liegt dagegen Straßburg – eine Stadt, die bis 2050 ausschließlich mit erneuerbaren Energien und Abwärme heizen will.
Grenzüberschreitende Synergien nutzen
Um dieses Klimaschutzpotenzial zu heben, kooperieren die Stadt Kehl und die Eurometropole Straßburg und denken die Wärmeversorgung ihrer Städte fortan zusammen. Eine 4,5 Kilometer lange Rohrleitung soll das Stahlwerk mit dem bestehenden Fernwärmenetz im Straßburger Zentrum verbinden. Dabei soll bis zu 150 Grad heißes Wasser unter dem Rhein hindurchfließen. Ziel ist die nachhaltige Wärmeversorgung von zunächst 7.000 Haushalten in Straßburg und Kehl.
Klimafreundlich, einzigartig, wegweisend
Die Größenordnung des Vorhabens ist beachtlich: etwa 70 Gigawattstunden Abwärme sollen pro Jahr in Straßburg und Kehl genutzt werden. Insgesamt sollen dafür rund 36 Millionen Euro investiert werden. Etwa 20.000 Tonnen CO2 können dadurch jährlich eingespart werden. Mit 135 Gigawattstunden pro Jahr ist das erschließbare Abwärmepotenzial der BSW aber noch weitaus größer.
Einzigartig ist das Projekt durch seinen länderübergreifenden Charakter: Das Wärmenetz soll erlauben, Fernwärme von Deutschland nach Frankreich – und umgekehrt – zu transportieren. Die Kooperation zeigt, wie Regionen auf beiden Seiten des Rheins wirtschaftlich und ökologisch von einer gemeinsamen Energieinfrastruktur profitieren können. Gleichzeitig möchte das Projekt Vorbild für ähnliche Vorhaben im europäischen Kontext sein.
Meilensteine
Die Idee, die Abwärme der Badischen Stahlwerke für die Beheizung der Gebäude in der Region zu nutzen, kam bereits 2014 auf. Nachdem das Vorhaben aus wirtschaftlichen Gründen damals nicht weiterverfolgt worden war, wurde es in 2018 auf politische Initiative hin wiederaufgenommen. Dass das Projekt technisch – und dank verschiedener Förderprogramme inzwischen auch wirtschaftlich – umsetzbar ist, ergab Anfang 2019 eine erste Machbarkeitsstudie, die das baden-württembergische Umweltministerium beauftragt und finanziert hatte. Im Rahmen einer zweiten, vertiefenden Machbarkeitsstudie im Auftrag der Eurometropole Straßburg wurden die genauen Details zur technischen, finanziellen und organisatorischen Umsetzung des Vorhabens geklärt. Mit der Gründung einer gemeinsamen Wärmetransportgesellschaft „Calorie Kehl-Strasbourg“ wurde 2022 eine weitere bedeutende Hürde genommen. Die Gesellschaft soll die grenzüberschreitende Leitung bauen und betreiben. Ende des Jahres sollen die Planungs- und Genehmigungsprozesse starten, sodass der Bau voraussichtlich 2024 beginnen kann. Ab 2027 wird die Wärmeverbindung ihren Betrieb aufnehmen.
Details zur organisatorischen Umsetzung
Zentral für das Vorhaben ist die Wärmeleitung, die die Produktionsstätte der BSW mit den Abnehmern auf beiden Seiten des Rheins verbindet. Die Beteiligten gehen beim Bau und beim Betrieb dieser Leitung neue Wege: Nicht ein Energieversorger, sondern die beteiligten Kommunen selbst sollen mit Unterstützung der Regionen die Wärmeverbindung gemeinsam planen, bauen und betreiben. Dazu wurde die Gesellschaft „Calorie Kehl-Strasbourg“ gegründet. Die gewählte Rechtsform einer französischen Société d’économie mixte locale (SEML) gewährleistet eine öffentliche Trägerschaft und erlaubt die gleichberechtigte Teilhabe deutscher und französischer Anteilseigner.
Details zur technischen Umsetzung
Die vertiefende Machbarkeitsstudie sieht eine 4,5 Kilometer lange Fernwärmeleitung vor, die die künftige Wärmerückgewinnungsanlage der BSW mit den Abnehmern auf deutscher Seite und dem Heizkraftwerk Esplanade in Straßburg verbindet. Eine besondere Herausforderung stellt die hohe Vorlauftemperatur dar, die im Straßburger Fernwärmenetz benötigt wird. Eine technische Lösung konnte aber erarbeitet werden. Abwärme mit einer Leistung von 20 Megawatt soll im Werk der BSW ausgekoppelt und mittels 150 Grad heißen Wassers nach Straßburg transportiert werden. Auf Straßburger Seite speist das dortige Heizkraftwerk die Wärme dann ins existierende Netz ein.
Details zur finanziellen Umsetzung
Insgesamt umfasst das länderübergreifende Vorhaben Investitionen in Höhe von etwa 36 Millionen Euro. Zur Förderung und Finanzierung dieser Investitionen hat die Deutsch-Französische Energieplattform eine kombinierte Förderstrategie mit Mittel aus deutschen, französischen und europäischen Quellen erarbeitet. Bis zu 60 % der Investitionen in die Wärmeleitung sowie 40 % für die Errichtung der Anlagen zur Abwärmeauskopplung können so über Fördermittel bereitgestellt werden. Für die Projektentwicklung konnten Mittel aus dem EU-Förderprogramm INTERREG Oberrhein gesichert werden. Das Programm will speziell das Zusammenwachsen der Grenzregionen fördern.
Projektbeteiligte
Zehn Institutionen aus Frankreich und Deutschland, darunter Unternehmen, Kommunen, Ministerien, Regionen und Energieagenturen, arbeiten gemeinsam an der Entwicklung und Umsetzung des Projekts.

Das Wärmebündnis in den Medien
Euractiv Standpunkt "Die Europäische Wärmewende voranbringen" (Englisch, Französisch)